Übersicht Urologie

Die Urologie ist ein Teilgebiet der Medizin. Sie beschäftigt sich mit den harnbildenden und harnableitenden Organen, also mit Niere, Harnblase, Harnleiter und Harnröhre. Urologen behandeln zudem auch Krankheiten der Geschlechtsorgane des Mannes, also der Hoden, Nebenhoden, Samenleiter, Samenbläschen, des Penis, sowie der Prostata und decken damit Bereiche der Andrologie ab. Es gibt Überschneidungen zur Nephrologie, Gynäkologie, Neurologie, Onkologie und Chirurgie.

Geschichte der Urologie

Obwohl die Urologie ein relativ junges eigenständiges Fachgebiet ist, reichen ihre Wurzeln bis in das Altertum zurück.

Altertum und Antike

Bereits in Ägypten ca. 1000 v. Chr. kannte man Blasenkatheter. Diese frühen Formen waren aus Bronze. Die Operation von Blasensteinen ist hier ebenfalls bekannt.

Im antiken Griechenland beschäftigt man sich ebenfalls mit urologischen Erkrankungen. Hippokrates von Kos klassifiziert als erster Störungen des Wasserlassens und unterscheidet hierbei in Dysurie (schmerzhaftes Wasserlassen), Strangurie (tropfenweises Wasserlassen) und Ischurie (Harnverhaltung). Weiterhin beschreibt er ausführlich die Bildung von Blasensteinen. Die operative Entfernung ist seiner Meinung nach für den Arzt nicht ratsam, daher verpflichtet sich der Arzt im hippokratischen Eid, keine Steine zu schneiden. Darüber hinaus beschäftigt er sich auch mit Nierenerkrankungen und deren Therapie bis hin zur operativen Nierenfreilegung und Entfernung bei eitrigen Entzündungen mit Abszessbildung. Da ihm aus religiösen Gründen anatomische Studien an Leichen verwehrt sind, gründen sich seine Lehren auf die genaue Beobachtung der Leidenden.

Die erste anatomische Beschreibung der Prostata stammt von Herophilos von Chalkedon um 300 vor Christus. Diese Beschreibung beruhte auf der Sektion von Leichen. Ammonios von Alexandria verbessert um 250 v. Chr. die Technik der Steinoperation über einen Dammschnitt durch vorherige Zerkleinerung und anschließende Bergung mit einem Haken. Sein Beiname „der Lithotom“ rührt daher.

Der römische Arzt Celsus (ca. 25 v. Chr. bis 50 n. Chr.) entdeckt die Lehren des Hippokrates wieder und beschreibt in seinen Werken die Technik der Blasensteinentfernung und das Katheterisieren mit metallenen Blasenkathetern.

Aretaios von Kappadokien (81–138) klassifiziert die verschiedenen Arten von Nierenentzündungen und schlägt als Therapie die Harnableitung mittels Katheter vor. Darüber hinaus empfiehlt er bei Misserfolg einen Dammschnitt mit Eröffnung der Harnblase zur Urinableitung. Die erste Beschreibung und Therapieempfehlung von Harnröhrenengen stammt von Heliodoros (um 120–150). Er führt sie auf Geschwülste zurück, die durch Herauskratzen entfernt werden sollen.

Galenos (um 131 bis 201) aus Pergamon führt schließlich die empirische, auf Beobachtung und Analyse des Kranken beruhende und die dogmatische, sich auf anatomische Veränderungen als Ursache von Krankheiten beziehende Medizin zusammen. Er misst der Urinschau zur Diagnose von Krankheiten große Bedeutung bei. Hierbei wird der Morgenurin auf Dichte, Farbe, Geruch, Geschmack und Sediment hin geprüft und abhängig von den Symptomen und dem Geschlecht bewertet. Seine Werke wurden von der arabischen Medizin ab dem 5. Jahrhundert aufgenommen, gelangten über diese im Mittelalter nach Europa zurück und galten bis in das 17. Jahrhundert als Standard, den es nicht zu hinterfragen galt. Die Humoralpathologie, die schon auf Hippokrates zurückgeht und von Galen weiterentwickelt wurde, hatte bis in das 19. Jahrhundert als Krankheitskonzept Bestand.

In der Spätantike beschreibt Oreibasios (325–403) aus Pergamon die Aufdehnung der Harnröhre mit Verweilkathetern aus Zinn und Blei, und Paulos von Aigina (6./7. Jahrhundert] verbessert nochmals die Steinoperation, indem er den Stein über den After ertastet und über einen seitlichen Dammschnitt entfernt. Diese Methode sollte bis in das 17. und 18. Jahrhundert Bestand haben.

Die Urologie in der arabischen Medizin und im Mittelalter

Im Mittelalter werden vor allem die Lehren Galens als Grundlage des medizinischen Handelns angesehen. Wesentliche Neuerungen auf dem Gebiet der Urologie sind nicht zu verzeichnen. Ganz in der Tradition des Hippokrates lehnen es die Ärzte und Chirurgen des Mittelalters ab Steinleiden zu operieren. Dieses wird Steinschneidern und Hebammen überlassen.

Avicenna aus Buchara reproduziert in seinem Werk Canon medicinae die Lehren Galens, beschreibt jedoch zusätzlich genau die Niereneiterung und ihre Folgen. Erstmals erkennt er die Eigenständigkeit des Blasensteinleidens und verwendet geschmeidige, mit Blei verstärkte Lederröhren. Albucassis aus Córdoba (11. Jahrhundert) befasst sich intensiv mit dem Katheterisieren der Harnröhre, der Blasenspülung und der Blasensteinoperation (die er jedoch nicht selbst ausführt), wie sie Paulus von Aegina beschrieben hat. Sein Wissen publizierte er in einer 30-bändigen medizinischen Enzyklopädie, die für Jahrhunderte zu einem chirurgischen Standardwerk wurde. Peter von Argelata führt in Bologna als einer der wenigen Chirurgen eigenhändig Steinoperationen aus. Arculaneus von Padua beschreibt erstmals die Hydrozele und Varikozele sowie deren Therapie und gibt präzise Angaben zur Behandlung des Harnverhaltes.

Die frühe Neuzeit (16. bis 18. Jahrhundert)

Nach der Zeit der weitgehenden Stagnation im Mittelalter erfolgt ab dem 16. Jahrhundert – nicht zuletzt durch den Buchdruck und die teilweise Erlaubnis von anatomischen Studien an Leichen – ein deutlicher medizinischer Fortschritt. Die Ablehnung der Steinoperationen durch Chirurgen schwindet bis zu Beginn des 18. Jahrhunderts völlig.

Entdeckungen in Anatomie, Pathologie und Pathophysiologie

Bedeutende anatomische Studien und Entdeckungen werden von Leonardo da Vinci (1452–1519), dem aus Brüssel stammenden Anatom Andreas Vesalius (1514–1564) und dessen Nachfolger Eustachi (1500–1574) gemacht und publiziert.

Auf dem Gebiet der Anatomie des Urogenitaltrakts liefern Etienne La Riviere aus Paris mit der Beschreibung der Samenbläschen, Marcello Malpighi (1628–1694) mit der Enthüllung des Funktionsmechanismus der Niere durch die Entdeckung der Nierenkörperchen und Lorenzo Bellini (1643–1704) mit der Entdeckung der Nierenkanälchen wesentliche Kenntnisse.

Dieses neue Zeitalter in der anatomischen Forschung ist der Erfindung des Mikroskops zu verdanken. So kann in Folge nach und nach durch Frederik Ruysch (1638–1731), Ferrein (1693–1769) und Philip Verheyen (1648–1710) der mikroskopische Aufbau der Niere geklärt werden. 1684 beschreibt Mery erstmals die später William Cowper zugeschriebenen Glandulae urethrales. Der niederländische Forscher und Mikroskopbauer Antoni van Leeuwenhoek (1632–1723) beschreibt 1677 erstmals Spermien.

Als Begründer der Pathologie – und damit auch der Pathologie des Urogenitaltraktes – gilt der Anatom Giovanni Battista Morgagni (1682–1771). Mit seinem fünfbändigen Werk De sedibus et causis morborum („Vom Sitz und den Ursachen der Krankheiten“) legte er im Jahre 1761 den Grundstein für die wissenschaftlichen Forschungen. Er untersucht und analysiert die verschiedenen Varianten der Harnröhrenverengung, klassifiziert die Harnblasentumore und erörtert die Ursachen für Harnverhaltung und Harnzwang. Hierbei entdeckt er die Prostatahyperplasie. Darüber hinaus entdeckt und beschreibt er Nierentumore, untersucht die Nierenvereiterung und stellt die kompensatorische Vergrößerung der Niere bei Verlust oder Fehlen der zweiten fest.

Der französische Chirurg Jean-Louis Petit (1674–1750) und sein Schüler Pierre-Joseph Desault modernisieren durch Beschäftigung mit den Krankheitsursachen, der Diskussion der Symptome und Differentialdiagnose sowie dem Beginn der klinischen Demonstration am Krankenbett die klinische Chirurgie. Der Chirurg und Freund Desaults François Chopart (1743–1795) veröffentlicht 1791 eine Schrift über die Behandlung der Erkrankungen des Harntraktes.

Entwicklung und Verbesserung der Therapie

Die Entwicklung ist vor allem durch die zunehmende Beteiligung von Chirurgen an urologischen Operationen vorangebracht worden. Während lange Zeit Steinschneider und Hebammen urologische Operationen durchführten, übernehmen dies bis zum Beginn des 17. Jahrhunderts die Chirurgen.

Die Hauptanstrengungen werden auf dem Gebiet der Stein- und Harnröhrenchirurgie unternommen, da vor allem das Steinleiden eine sehr häufige, zum Teil tödlich endende Erkrankung ist. Das große Problem ist jedoch die hohe Sterblichkeit durch Infektionen und Blutverluste. Letzteres erfährt durch den französischen Militärchirurgen und Leibarzt Heinrichs des II. und Karls des IX. Ambroise Paré (1510–1590) eine radikale Verbesserung. Er führt das Abklemmen und Unterbinden von Blutgefäßen in die Chirurgie ein. Er gilt als Erfinder der bis heute verwendeten Technik der Ligatur zur Blutstillung. Er veröffentlicht in seinen Werken seine Erkenntnisse über Gonorrhoe, Harnsteine und den Harnverhalt. Weiterhin beschäftigt er sich mit der Harnröhrenverengung, die seiner Meinung nach eine Folge der Gonorrhoe ist.

Die Hauptursache für die Entwicklung von Blasensteinen, die Prostatahyperplasie, ist bis zu ihrer Beschreibung durch Morgagni 1761 unbekannt. Daher wird zunächst die Operationstechnik zur Steinentfernung weiterentwickelt. Die bisherige Technik ist seit Paulus von Aegina nicht weiterentwickelt worden. Mit Beginn des 16. Jahrhunderts wird diese Methode der kleinen Steinoperation weiter verfeinert und mit speziellem Instrumentarium verbessert. Als große Steinoperation wird sie von Marianus Sanctus (1489–1550) in seinem Buch Libellus aureus beschrieben. Bemerkenswert ist hier die Menge an speziellen Instrumenten wie Kürette, Zangen (Forceps), Harnröhrensonde (sog. Explorator) und einem speziellen Messer. Diese Technik setzt sich in ganz Europa durch.

Der nach dieser Methode operierende provenzalische Arzt Franco (1500–1560) entwickelt die neue Technik weiter und beschreibt erstmals die Steinentfernung über einen Bauchschnitt, die so genannte Sectio alta. Allerdings wird diese Methode zunächst kaum weiter verfolgt. Erst Mitte des 18. Jahrhunderts übernimmt Jean Baseilhac (1703–1781) diese Technik, die bis dahin nur in Ausnahmefällen praktiziert wurde. Da Baseilhac bereits einen guten Ruf als Steinchirurg genoss, nicht zuletzt durch die Entwicklung eines speziellen Lithotoms zur Steinzerkleinerung in der Harnblase, setzte sich diese Methode durch und wurde zum Standard.

Trotz aller Modernisierung der Operationstechnik starben Mitte des 18. Jahrhunderts 255 von 812 Steinpatienten der Pariser Kliniken Hôtel-Dieu und Charité, wie aus einer damaligen Statistik hervorgeht. Hinzu kommt, dass eine Narkose nicht durchgeführt wurde.

Die Chirurgie an der Niere bleibt demgegenüber jedoch eine Ausnahme. Zwar führt Bauhin erfolgreich eine Steinentfernung aus einer Niere durch, jedoch wird der Flankenschnitt überwiegend nur zur Eiterentlastung durchgeführt. Weitere Berichte von erfolgreich durchgeführten Nierensteinentfernungen stammen von Schenk von Grafenberg, Marchetti (im Jahr 1633) sowie Lafitte aus dem Jahr 1734.

Die Moderne bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges

Die großen technischen Fortschritte im 19. und 20. Jahrhundert führen zu einer rasanten Entwicklung in der Therapie und Diagnostik urologischer Erkrankungen. Neben den neuen Materialien wie Kautschuk, verbessertem Stahl und den Möglichkeiten der industriellen Fertigung spielen die Entdeckung und Nutzung der Elektrizität, der Röntgenstrahlen sowie die Entdeckung und Anwendung von Distickstoffmonoxid (früher: Stickoxydul) (Lachgas), Chloroform und Ether zur Anästhesie eine entscheidende Rolle. Die bedeutendste Entwicklung ist jedoch die der Hygiene und Antisepsis, deren Vater Louis Pasteur (1822–1895) ist. In gleicher Weise ist der Beginn der Mikrobiologie durch Robert Koch bedeutend.

Verbesserung der Steintherapie und Entwicklung des verbesserten Blasenkatheters

In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts beschäftigt man sich noch primär mit der Therapie des Harnsteinleidens und der Verbesserung der Behandlungsmöglichkeiten. Ein wesentlicher Schritt ist die Entwicklung von speziellen und flexiblen Blasenkathetern. So entwickelt Mercier (1811–1882) einen doppelt gebogenen Katheter aus Gummi mit abgerundeter Spitze. Der erste Blasenkatheter mit Auffangbeutel wird von Reybard (1790–1863) erfunden. Schließlich entwickelt Nélaton (1807–1873) einen weichen, geraden Blasenkatheter aus vulkanisiertem Kautschuk. Hiermit sind relativ schonende Mittel zur Harnableitung geschaffen. Mit speziellen sehr dünnen Sonden und Kathetern gelingt es auch bei Harnröhrenstrikturen eine Urinableitung zu schaffen. Auch die Therapie der Harnröhrenstriktur erfährt durch die Entwicklung von speziellem Instrumentarium zur inneren Harnröhrenschlitzung durch den Chirurgen Maisonneuve (1809–1897) eine grundlegende Wandlung. Diese neue Operationsmethode beginnt sich gegenüber der bisher üblichen Schlitzung von außen durchzusetzen. Die Entfernung von Blasensteinen ist anfänglich eine sehr risikoreiche Operation. Der französische Arzt Civiale (1796–1867) entwickelt mit seinem Lithotripter ein zangenartiges Gerät zur Zertrümmerung und Entfernung der Steine über die Harnröhre. Die erste Lithotripsie wird im Jahre 1823 durch ihn vorgenommen. Trotzdem kommt es weiterhin zu Komplikationen und Todesfällen. Der Berühmteste ist Halles. Civiale erhält, nicht zuletzt aufgrund seiner Erfahrung und seiner akademischen Verteidigung der Methode, einige Betten am französischen Hospital Necker geschenkt. Eine weitere Verbesserung stellt die von dem in Harvard tätigen Arzt Bigelow entwickelte Absaugung dar. Damit können die Steine direkt nach erfolgter Zertrümmerung entfernt werden. Dieses neue Verfahren wird Litholapaxie genannt.

Die Entwicklung der Endoskopie

Die bedeutendste Entwicklung in der Urologie, die urologische Endoskopie geht auf den Frankfurter Arzt Phillip Bozzini zurück. Im Jahr 1806 stellt er ein erstes Endoskop mit Kerzenbeleuchtung vor. Diese Entwicklung wurde zunächst nicht weiter verfolgt. Erst 1826 versuchte Segalas (1792–1875) erstmals die Anwendung am Patienten. Er bedient sich dabei eines Harnblasenspiegels, dessen Beleuchtung zwei Kerzen liefern. Der französische Arzt Antonin Desormeaux (1815 bis 1882), der als Chirurg in Paris tätig war präsentierte 1853 vor der Akademie für Medizin ein Endoskop, das eine Mischung aus Alkohol und Terpentinöl zur Beleuchtung nutzte. Damit führt er zahlreiche Untersuchungen der Harnröhre und der Harnblase durch und veröffentlicht 1865 das Lehrbuch Traite de l’endoscopie. Der Durchbruch gelang dem Dresdner Arzt Maximilian Nitze (1848 bis 1907) mit dem ersten elektrisch beleuchteten Zystoskop, das er 1879 in Wien präsentierte. Er veröffentlichte 1889 sein Lehrbuch der Kystoskopie und 1894 den kystographischen Atlas. Mit der Zystoskopie beginnt nun die genaue Untersuchung und Klassifizierung von Erkrankungen der Harnblase. Gleichzeitig werden spezielle Ureterkatheter entwickelt, um die Harnleiter zu sondieren. Da es mit dem klassischen Zystoskop jedoch schwierig ist entwickelt Joaquin Albarran (1860–1912) aus Paris 1897 ein spezielles Zystoskop mit mechanisch abwinkelbarer Spitze.

Nierenchirurgie

Die Chirurgen beginnen nun sich der operativen Therapie von Nierenerkrankungen zuzuwenden. Zahlreiche Erkrankungen werden entdeckt und beschrieben. Im Jahr 1827 wird die Ektopie der Niere erstmals von Heuer und 1841 die solitäre Nierenzyste und die Hydronephrose (Wassersackniere) erstmals von Rayer beschrieben. Er beschrieb zwei Jahre zuvor bereits die Nierentuberkulose. Robert Koch entdeckt 1882 das Tuberkelbakterium und es gelingt in der Folge dieses auch im Urin zu erkennen. Nierentumore sind seit dem 17. Jahrhundert bekannt, werden nun aber genauer untersucht. So beschreibt Grawitz 1883 das Hypernephrom.

Der Heidelberger Chirurg Gustav Simon (1824–1876) entfernt 1869 als erster eine Niere wegen Urinfistelbildung mit Komplikationen, nachdem er die Operation an dreißig Hunden erprobt hatte. 1871 entfernt er eine vereiterte, steintragende Niere, der Patient verstirbt jedoch an einer Infektion. Henry Morris gelingt 1880 die erste Nephrolithotomie (Steinentfernung aus der Niere). Durch Weiterentwicklung der Operationstechniken, insbesondere der Blutstillung sowie durch Einführung der Wunddrainage gelingt 1889 die erste partielle Nephrektomie, um Nierensteine und –abszess zu entfernen.

Die Tumorchirurgie beginnt ebenfalls sich langsam zu entwickeln. Wolcott versucht 1861 die Entfernung eines Nierentumors, der Patient verstirbt jedoch an einer Infektion. Insgesamt wird dieser Eingriff insbesondere aufgrund des späten Tumorstadiums, des hohen Blutverlustes und von Infektionen häufig nicht lange überlebt. Die Entwicklung schreitet jedoch fort. Albarran führt 1898 die erste Entfernung von Niere und Harnleiter, die so genannte Nephroureterektomie durch. Bereits 1887 hatte Czerny die erste partielle Nephrektomie aufgrund eines Sarkoms durchgeführt. Im Gegensatz zu der schwierigen Chirurgie bei Nierenkrebs gelingt es häufig gutartige Geschwülste erfolgreich zu entfernen.

Neben der Nierenentfernung beginnt man bereits erste plastische Operationen an der Niere durchzuführen. Während man anfangs bei einer Wassersackniere noch zur Entfernung neigte, widmet man sich mehr und mehr der organerhaltenden Operation. Zum Ende des 19. Jahrhunderts unternehmen hier Trendelenburg (1886), Kuster (1891), Fenger (1892) und Israel (1896) Nierenbeckenplastiken (hierbei wird die ursächliche Engstelle entfernt und Harnleiter und Nierenbecken wieder miteinander verbunden). Albarran leistet in Frankreich auf diesem Gebiet einen wichtigen Beitrag.

Der Beginn der Prostatachirurgie

Wie bereits von Morgagni im 18. Jahrhundert beschrieben, wird die Prostatahyperplasie (gutartige Prostatavergrößerung) nun als Ursache der Blasensteinbildung und der Miktionsstörungen identifiziert. Zwar kann man Blasensteine, wie oben ausgeführt, besser therapieren, die Operation der Prostata ist jedoch noch nicht erfolgt. Erste Versuche der Entfernung über die Harnröhre sind ohne größeren Erfolg. Im Jahr 1885 führt Goulay die erste Entfernung über einen Bauchschnitt durch. In Amerika wird diese Methode von Goodfellow (1855–1919) übernommen. Dem Londoner Arzt Freyer (1852–1921) gelingt am 21. November 1900 die erste vollständige Entfernung des Prostataadenoms über einen Unterbauchschnitt und die eröffnete Harnblase. Trotz großen Blutverlustes gesundet der Patient. In den folgenden Jahrzehnten wurde diese Methode weiterentwickelt. Insbesondere schenkte man der Blutstillung besondere Aufmerksamkeit. Der Wiener Professor für Urologie Theodor Hryntschak (1889–1952) hatte hieran maßgeblichen Anteil. Diese Methode hat bis heute Bestand, wenngleich sie nur noch selten angewandt wird. Ein anderer Weg ist die Methode nach Millin. Hierbei wird die Harnblase nicht eröffnet sondern die Kapsel der Prostata. Diese Operation wurde 1908 durch den Arzt von Stockum in Rotterdam erprobt und durch den britischen Arzt Terence Millin 1943 übernommen und perfektioniert. In Heidelberg wird von Czerny 1889 erstmals eine Prostatektomie (vollständige Entfernung der Prostata und Samenbläschen) bei einem Prostatakarzinom durchgeführt. Er wählt den Zugang über den Damm. Durch Fuller wird 1898 dieser Eingriff erstmals über einen Bauchschnitt ausgeführt.

Die Nutzung von Röntgenstrahlen in der Urologie

Wilhelm Conrad Röntgen entdeckt 1895 die nach ihm benannten Röntgenstrahlen. Damit beginnt die Entwicklung der Radiologie. In der Urologie werden 1927 erstmals die Harnwege über Kontrastmittel, das über Katheter in die Harnblase und Harnleiter sowie Nierenbecken eingebracht wird, von Chevassu dargestellt. 1929 führt von Lichtenberg die Pyelographie, d. h. die Darstellung der ableitenden Harnwege über in die Vene eingebrachtes Kontrastmittel ein. Damit sind neue Wege der Diagnostik eröffnet.

Die Begründung einer neuen Fachrichtung

Die rasante Entwicklung in der Urologie führt in Paris zur Gründung einer eigenen urologischen Abteilung durch Felix Guyon (1831–1920). Er übernimmt 1890 den ersten Lehrstuhl für Urologie. In Deutschland habilitiert 1889 Maximilian Nitze und wird 1900 zum außerordentlichen Professor für Urologie an der Charité. Auf der 78. Versammlung der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte im September 1906 in Stuttgart wird die „Deutschen Gesellschaft für Urologie“ gegründet. Der Facharzt für Urologie wird 1924 etabliert. Erst im Jahr 1970 wird jedoch in einem Übereinkommen mit der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie die universitäre Eigenständigkeit der Urologie festgeschrieben.

Die Entwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg

Die Einführung neuer Untersuchungsmethoden wie Sonografie, Computertomografie und nuklearmedizinische Untersuchungen führen zu einer erheblichen Verbesserung im Erkennen und Therapieren urologischer Erkrankungen. Die Entdeckung des Penicillins und die Weiterentwicklung der Antibiotika reduzieren die Infektionsrate und damit die Sterblichkeit drastisch. Neue Operationsverfahren wie die radikale Prostatektomie oder die radikale Zystektomie (Entfernung der Harnblase) mit Blasenersatz werden entwickelt. Die erste erfolgreiche Nierentransplantation wird 1956 durchgeführt. Der Fortschritt auf dem Gebiet der Endoskopie ermöglicht die Entwicklung der transurethralen Resektion zur Behandlung von gutartigen Prostatavergrößerungen und des Harnblasenkrebses. In München am Klinikum Großhadern wird 1980 erstmals die Zertrümmerung von Nierensteinen von außen durchgeführt und entwickelt sich rasch zum Standard (siehe den Abschnitt „Extrakorporale Stoßwellenlithotripsie“ im Artikel „Nierenstein“). Neue kleinste Endoskope ermöglichen die Inspektion von Niere und Harnleiter. Die Chemotherapie und die Strahlentherapie verbessern die Behandlungsmöglichkeiten von Tumorerkrankungen. Schließlich hält die Laparoskopie in den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts Einzug in die Urologie, die erste laparoskopische Nephrektomie wurde 1991 und die erste laparoskopische Prostatektomie wurde 1992 durchgeführt.[1] Auch die Spezialisierung schreitet in der Urologie stetig voran. In einer noch jungen urologischen Spezialdisziplin, der Neurourologie werden alle Störungen des Harn- und Genitaltraktes behandelt, die durch eine Verletzung oder Erkrankung des Nervensystems verursacht wurden. Vor allem Patienten mit einer Querschnittlähmung sind davon betroffen, aber auch Patienten mit multipler Sklerose, Morbus Parkinson oder nach Schlaganfall. Weitere Spezialdisziplinen der Urologie sind die Andrologie (Lehre der Fortpflanzungsfunktionen des Mannes), die Kinderurologie (angeborene Erkrankungen) und die Urogynäkologie (Behandlung von Harn- und Stuhlinkontinenz sowie Lageveränderungen der Genitalorgane von Frauen).

Der Urologe

Als Urologe wird ein Facharzt für Urologie bezeichnet. Diese Bezeichnung darf tragen, wer nach Ableistung der vorgeschriebenen Weiterbildungszeit und Weiterbildungsinhalte die Facharztkompetenz im Gebiet der Urologie erworben hat.

Um nach einem absolvierten Medizinstudium in Deutschland als Facharzt für Urologie tätig zu werden, bedarf es einer insgesamt fünfjährigen ärztlichen Weiterbildungszeit. Mindestens 48 der 60 Monate Weiterbildungszeit müssen im Fachgebiet der Urologie an einer von der entsprechenden Landesärztekammer zugelassenen Weiterbildungsstätte bei einem zugelassenen Weiterbilder absolviert werden. Entsprechend ergeben sich auf die Weiterbildung anrechenbare Weiterbildungszeiten außerhalb der klinisch-urologischen Weiterbildung, wobei nach § 4 Abs. 4 der Musterweiterbildungsordnung (MWBO) die Mindestdauer eines anrechenbaren Weiterbildungsabschnitts sechs Monate betragen muss:

  • Zwölf Monate stationäre Patientenversorgung in der Chirurgie
  • Sechs Monate in einem anderen Fachgebiet
  • Zwölf Monate ambulante Patientenversorgung, z. B. bei einem niedergelassenen Urologen.

Die Weiterbildungsinhalte gliedern sich nach MWBO in

  • Kenntnisse, Erfahrungen, Fertigkeiten und
  • Detaillierte Untersuchungs- und Behandlungsverfahren.

Die Durchführung einer bestimmten Anzahl von Operationen und Prozeduren muss anhand von Richt- bzw. Anhaltszahlen nachgewiesen werden (OP-Katalog). Außerdem soll der Inhalt von mindestens jährlich zu führenden Personalgesprächen zwischen Weiterbilder und Arzt in Weiterbildung dokumentiert werden.

Die Ärztekammern bieten zu dieser vorgeschriebenen Dokumentation ein standardisiertes (Muster-)Logbuch an. Inzwischen bieten die urologischen Fachgesellschaften,

ein fachspezifisch durch die Fachgesellschaften erweitertes Logbuch an. Dieses strukturiert die Vorgaben der MWBO praxisrelevant und definiert ein einheitliches, modulares (Muster-)Curriculum für die deutsche Urologie.

Wenn die oben genannten Bedingungen erfüllt sind, kann die Anmeldung zur Facharztprüfung bei der zuständigen Landesärztekammer eingereicht werden.

Vereinigungen, Verbände, Interessenvertretungen

1972 gründete sich die ‚European Association of Urology‘ (EAU).[2] In Deutschland gibt es den Berufsverband der Deutschen Urologen e. V. (BDU) und die Deutsche Gesellschaft für Urologie e. V. (DGU)[3]

Statistiken

  • Am 31. Dezember 2006 waren in Deutschland 6156 Fachärztinnen und Fachärzte für Urologie registriert, von denen 4883 ärztlich tätig waren. 504 der Gesamtzahl an Urologen waren Frauen. Im ambulanten Bereich arbeiteten 215 Frauen, 254 im stationären Bereich.